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Feedback: Autsch, das hat gesessen!

Feedback:Autsch, das hat gesessen

Es ist das Jahr 2014. Nach rund einem Jahr gemeinsamer Arbeit, mit vielen Höhen und Tiefen, ist es so weit. Die finale Feedbackrunde steht an.

Vor mir sitzen 1 7 junge Menschen, so wie jede Woche. Wir haben die letzten 80 Unterrichtseinheiten viel miteinander gelacht und uns aneinander gerieben. Mein Auftrag als Dozentin ist klar. Ich soll diesen jungen Menschen die Themen „Gruppendynamik und Kommunikation“ näher bringen.
Die letzten Wochen haben mir gezeigt, dass das schon sehr herausfordernd sein kann. Wohlgemerkt, zu der Zeit war ich selber noch ein Dozentinnen-Greenhorn.

Dass der Ausbildungsgang stark schulisch orientiert war, macht die Sache auch nicht einfacher.
Die Teilnehmer:innen befinden sich noch eher im Schülermodus, was sich sehr deutlich in ihrem Verhalten zeigt. Es macht ab und zu den Eindruck, dass sie eher teilnehmen, um zu konsumieren, Grenzen auszutesten und zu prüfen, wie weit die Geduld der Referentin wohl reichen würde. Was natürlich ihr gutes Recht ist.
Ich dagegen bin davon ausgegangen, dass Eigenverantwortung bei diesem Berufsziel die Grundvoraussetzung ist. Das denke ich nach wie vor. Was genau passiert ist? Hier die ganze Geschichte.


Die ganze Geschichte

Ich – hoch motiviert – bin der Meinung, dass es am einfachsten ist, Gruppendynamik und Kommunikation durch eigene Erfahrungen sowie eigenes Handeln zu lernen und üben.

Aus diesem Grund stellte ich der Gruppe verschiedene Aufgaben, habe sie angeleitet Gespräche zu führen, Gruppenerfahrungen machen. Immer mit dem Fokus, die Aufgaben gemeinsam zu lösen. Am Ende wurden die gemeinsamen Aktivitäten reflektiert. Das gelingt natürlich nur durch gute Kommunikation. Daher habe ich Theorie mit Praxis gemischt und immer wieder Reflexionsrunden angeboten.

Eine der weniger beliebten Übungen war das Boot. Der Versuchsaufbau sieht vor, dass sich die Teilnehmer:innen als Team in ein Boot setzen. Dieses kann im Seminarraum durch Stühle, die in Form eines Bootes aufgestellt werden, markiert werden. Nun sollen die Teilnehmer jeweils die Aufgabe übernehmen, die sie aus ihrer Sicht gut können und gern machen. Ohne Worte.

Ziel ist es, dass sich die einzelnen Gruppenmitglieder über ihre Rolle und ihre Aufgabe auf dem Boot klar werden. In der zweiten Phase sucht sich jede:r eine neue, alternative Aufgabe. Auch das ohne Worte.
Dabei sollen die Teilnehmer:innen erkennen, dass sie mehr Fähigkeiten zur Verfügung haben und es mehr Möglichkeiten gibt als gedacht. Sie sollen sich bestenfalls für Alternativen öffnen. Und sei es nur gedanklich.

Man könnte denken, das wäre eine spaßige Aufgabe, bei der man sich im kreativen Tun neuen Möglichkeiten nähern kann.

So dachte ich zumindest.

Leider war genau das Gegenteil der Fall und diese Angebote kam bei manchen der Teilnehmer:innen irgendwie nicht so gut an. Statt des erhofften Effekts kam es zur Meuterei auf dem Boot – offen und verdeckt.

Dennoch haben wir die 80 Stunden gut hinter uns gebracht.


Die Feedbackrunde meines Lebens

Und endlich ist es so weit. Alle Inhalte sind vermittelt, alle Stunden absolviert. Jetzt will ich noch ein abschließendes Feedback. Erst plätscherten die Aussagen so vor sich dahin, dann kam es mit WUMS.

Eine Teilnehmerin fragte:
„Frau Biesenthal, ich möchte gerne etwas wissen“ – „Ja, klar! Was denn?“ – „Wir haben uns doch so oft daneben benommen (oh wie recht sie hat, geht es mir durch den Kopf) und sie waren trotz allem immer freundlich“ – „ÄH ja….?!?“

Ich bin etwas ratlos. Damit habe ich nun nicht gerechnet. Soviel Reflexion……? Das war es doch, was ich immer vermitteln wollte. Jetzt bin ich aber gespannt, was noch kommt.

„Für mich war es wichtig, dass Sie sich eigenverantwortlich entscheiden können. Sie sollten selber bestimmen, ob sie sich auf die Angebote einlassen möchten. Damit sie als angehende Therapeut:innen gut gerüstet sind. Sie sollten sich mit dem Thema Eigenverantwortung und Selbstentwicklung vertraut machen. Das war mein Ziel.“

So in etwa lautete meine Antwort. Ich sehe in leicht verwirrte Gesichter und überlege weiter.

Bis ich plötzlich auf die Idee komme, zu fragen: „Womit haben sie denn gerechnet? Was haben sie erwartet, was gebraucht?“

Die Antwort kam sofort: „Na ja, dass sie uns in die Schranken weisen und uns für unser Verhalten bestrafen.

Mir bleibt der Mund offen stehen. Ich bin leicht bedröppelt.

Wird mir da grade nahe gelegt, klare Ansagen zu machen, Regeln aufzustellen und die notfalls auch mit Sanktionen durchzusetzen? Ausgerechnet ich, der es so wichtig ist, die Freiheit der Anderen zu wahren?

Dieses Feedback hat mich lange beschäftigt.

Offensichtlich habe ich der Gruppe zu wenig Rahmen gegeben. Sie fühlten sich haltlos und mit ihrem Verhalten wollten sie mich darauf aufmerksam machen. Das hatte ich so nicht verstanden. Obwohl mir das Modell des Reifegrads spezifischen Führens selbstverständlich geläufig war.


Jede Woche neue Inspirationen
mit Wow-Effekten


MutMachLetter


Was ich davon für meine Trainerinnen Tätigkeit gelernt habe

Die Erfahrung hat lange nachgewirkt und ich habe unendlich viel daraus gelernt. Meine wichtigsten Learnings:

1. Der Reifegrad einer Gruppe entscheidet darüber, wie eng oder weit der Rahmen gesteckt werden kann. 
2. Damit die Kommunikation zwischen Referent:in und Teilnehmer:innen gelingen kann, ist es wichtig, die Perspektive der Teilnehmer einnehmen zu können.
3. Lege die Regeln gemeinsam mit der Gruppe fest und achte auf deren Einhaltung. 
4. Ehrliches, offenes Feedback ist soo wertvoll.
5. Eigenverantwortung will gelernt und geübt sein.
  

Seit dieser Erfahrung ist Feedback für mich ein wirklich wertvolles Instrument. Es ist ein Kompass und kann mir helfen, mich neu auszurichten. Mich persönlich und inhaltlich immer weiterzuentwickeln.

Zudem habe ich gelernt, konstruktives Feedback von Gemaule zu unterscheiden. Konstruktives Feedback bringt den, der es bekommt, an irgendeinem Punkt weiter. Entweder wird der eigene blinde Fleck kleiner oder das Verständnis für den Gesprächspartner wird erweitert.


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